Baden Baden 8 Novbr 65
Meine liebe Frau Jerichau!
Ihre erster Brief kam allerdings in meine Hände, wie auch der zweite, u. ich muss mich anklagen nicht gleich geantwortet zu haben. Ich hatte mir die Sache minder eilig vorgestellt, und war überdies in der Unmöglichkeit, Ihnen selbst zu antworten, woran mir grade viel lag; heute endlich komme ich dazu, und eile nun sofort Ihnen mitzutheilen, dass die zur Zeit nicht in Berlin anwesend ist und erst im Laufe des Decembers aus England mit ihrer Familie zurückkehrt; – ich werde Ihnen unter diesen Umständen also wohl keinen Gefallen thun, wenn ich ihr doch schreibe; // jedenfalls thue ich es später, sobald es Ihnen von Gewinn u. Nutzen sein kann, (etwa im nächsten Frühjahr wenn Sie aus Rom heimreisen), sehr gern u. bitte mir dann den gegenstand Ihrer Wünsche nur recht genau zu wiederholen, damit ich sie desto wärmer befürworten kann. Ebenso schreibe ich mit Vergnügen abermals an eine oder mehrere meiner Cousinen (Grossbritannien u. Russland), so wie es Ihnen willkommen sein, u. die längst projektirte Reise nach St. Petersburg einst von Ihnen verwirklicht u. bestimmt ausgeführt werden kann.
Da Sie indess die Folgen des Krankseins Ihres Mannes an so Manchem verhindern mögen, sehe ich wohl ein, und // erfuhr diese Nachricht mit innigem Mitgefühl; möge doch seine schöne Kunst in Zukunft nicht darniederliegen u. er bald ganz genesen sein. Ihre Kinder sind hoffentlich wohl; ich habe oft Ihrer gedacht. Wir sind nun herausgerissen aus dem glücklichen Kreis im lieben Norden u. verlangen nach einer festen Heimath – wie – wann u. wo wird sie uns werden!? – Ich habe Sehnsucht übers Meer. – Vorläufig sind wir jetzt hier, umgeben von Bergen welche im Sommer sehr romantisch sind, aber im Winter unzugänglich u. grau wie der Himmel über uns. ist an einem ausgezeichneten Gymnasium in Dresden, unter der Obhut seiner früheren trefflichen treuen Hauslehrer; – ein schweres Opfer für uns – aber // jedenfalls richtig, und er fühlt sich frei u. froh dort, lernt schon viel frischer, mit den vielen anderen Knaben, als ehemals allein, und kommt zu uns in allen Ferien. – Die Sehkraft hat sich nach der Operation vermehrt; natürlich nur verhältnismässig, u. die Fortschritte sind klein, und es bleibt dem Herzen noch so viel zu wünschen übrig, aber ich danke Gott doch so weit zu sein; auch entwickelt er sich im Übrigen ganz prächtig wie auch . – Nun Gott befohlen liebe Fr. Jerichau. Herzlich die Ihrige
Anna v Hessen